Es ist Samstag. Wolkenloser Himmel. Sonnenschein ohne Ende, jedoch fühlt es sich angenehm warm an. Der Lautsprecher dröhnt neben meinem Ohr: AC/DC – Highway to Hell, was sonst! Ich klatsche im Takt und bekomme Gänsehaut. Die Menschen um mich herum springen auf und ab. Ich fühle mich wie beim Open Air, jedoch stehe ich am Start meines Ultralaufs: der Cortina Trail in Cortina D´Ampezzo. Es ist der „kleine Bruder“ des Großen 120km Lavaredo Ultra Trails. 1600 Menschen sind bereit für ihr nächstes Abenteuer: 48 Km Trail und 2600 Höhenmetern im Gebirge der Dolomiten.
Es geht los. Ich laufe irgendwo hinten an. Habe keinen Druck. Ich genieße das lockere Tempo und die gute Atmosphäre bei den Italienern. Die ersten 3 km sind locker und wir ziehen durch die Stadt bis zum ersten Anstieg. Die meisten ziehen prompt ihre Laufstöcke aus. Ich bin eingesperrt und muss mich anreihen. Ich trabe gezwungenermaßen erstmal die ersten 8km mit der Menge mit. 500 Höhenmeter geht’s hoch auf einem breiteren Trail, entlang kleiner Seen und dichten Tannenwäldern. Zwischendurch passt es für ein paar Überhohlmanöver, muss aber aufpassen das ich nicht den Abhang runterfalle.
Wir schlängeln uns weiter den Berg hinauf und werden belohnt mit großartigen Aussichten. Ich grinse zum ersten Mal und bekomme diesen Gesichtsausdruck den ganzen Lauf nicht mehr los. Es ist wirklich ein schönes Gebiet das mich an den Grand Canyon oder Neuseeland erinnert. Nach einem kurzen Downhill geht es stetig entlang eines Flussbetts hinauf. Immer wieder tunke ich meine Kappe in das kristallklare, eiskalte Wasser frischer Gebirgsbäche. Es gibt nichts Schöneres. Wir überqueren mehrere Flüsse auf dem Weg nach oben. Ich halte ein komfortables Tempo und überhole langsam noch mehr Leute. Der erste Checkpoint erreiche ich nach 2.5H. Doch lange will ich nicht stoppen. Meine Beine sind weiterhin frisch. Das Terrain ändert sich von hartem Geröll zu lockerem, verwurzeltem Single Trails. Es macht richtig Spaß. Das nächste Downhill steht an und ich freue mich schon auf mein Rendezvous mit meiner Frau Katie bei KM 26. Jeder der mal einen langen Lauf gemacht hat weiß wie schön es ist, wenn man jemand sieht den man kennt. Katie hat natürlich alles Wichtige dabei: Cola, Limonade und ich esse eine Tortilla mit Avocado und Salsa. Endlich was richtiges Essen. Yum!
Die Speicher sind wieder gefüllt und es geht weiter. Ich fühle mich nach dem Essen beflügelt und überhole weiterhin. Das Auf und Ab kommt jetzt vermehrt. Es geht knackig hoch und rasant wieder runter, insgesamt 6-mal. Ich laufe auf ca. 2300m Höhe aber es wird nicht langweilig: Technische Segmente die ich mit Händen und Füssen fast schon klettern muss reihen sich an Single Trails die wie im Bilderbuch geschaffen wurden. Nach 36 km haben ich den letzten Gipfel erreicht und der harte Abstieg beginnt: 1200m in 9km. Erstmal locker, dann einfach geradeaus nach unten, ohne jegliche Entlastung der Oberschenkel und Fußgelenke. Ich versuche es laufen zu lassen, aber merke das ich zu schnell werde und meinen Oberschenkeln nicht mehr traue. Jetzt wären Stöcke bestimmt hilfreich.
Noch 3km. Ich sehe Cortina zum ersten Mal und freue mich endlich aufs Ziel. Noch 1km. Die Beine sind ziemlich „Schnitzel“ und ich schließe mich einem türkischen Läufer an der genauso leidet wie ich. Wir pushen uns beide im Yo-Yo weiter. Zusammen probieren wir das Tempo irgendwie aufrechtzuhalten. Die Menge ist da und feuert uns an. Ich bin euphorisch. Im Zieleinlauf gebe ich der Menge High 5`s und fange fast schon an zu Sprinten. Nach 7.25.48h, als 362er von 1678, komme ich im Ziel an.
Es war der perfekte Tag und das perfekte Rennen für mich. Alles hat gepasst. Cortina ich komme wieder!
Bericht und Bilder: Sebastian Cormier
Notice