6200 Höhenmeter, 82 Kilometer und eine maximale Steigung von 54% – Allein die Eckdaten machen deutlich, dass der Sardona Ultra-Trail verdammt hart ist. Was die nüchternen Zahlen jedoch nicht verraten: Fast die komplette Strecke führt über sehr anspruchsvolle Gebirgspfade durch z.T. hochalpines Gelände. Dazu kommt, dass durch die Niederschläge der vergangenen Tage die Wege unterhalb von ca. 2200 Metern völlig aufgeweicht waren (der Veranstalter hat das treffend als „tiefe Trails“ bezeichnet). Und oberhalb von 2200 Metern lagen bis zu 15 cm matschiger Schnee, sodass ausgesetzte Stellen mit Seilen gesichert werden mussten. Ich muss zugeben, dass ich vor dem Start nicht nur aufgeregt war, sondern auch ein wenig Zweifel hatte, ob es eine gute Idee war bei der Ultradistanz teilzunehmen…
Gemeinsam mit Dippi auf den Trails
Kurz nach dem Start um 8:30 Uhr, gerade als die 112 Trailläufer den ersten Anstieg unter die noch spritzigen Beine nahmen, blinzelte zum ersten Mal die Sonne durch die Wolken. Zumindest das Wetter sollte also perfekt werden. Nach Passieren des höchsten Punktes (2587 m) und dem technisch schwierigsten Abschnitt über den Lavtinasattel, konnten Matthias „Dippi“ Dippacher und ich uns vom Rest des Teilnehmerfeldes absetzen – und das sollte für die nächsten rund 10 Stunden auch so bleiben. Wir liefen praktisch ununterbrochen zusammen, was mir als „Ultra-Neuling“ sehr geholfen hat. Da man bei derartig langen Wettkämpfen nicht ganz so schnell unterwegs ist, hat man noch ausreichend Luft, um sich zu unterhalten (natürlich gilt das nicht für 54%ige Anstiege ;-)). Das und die vielen atemberaubenden Ausblicke auf die Berge des UNESCO Welterbes Sardona, die Churfirsten, das Rheintal, Liechtenstein, usw. machten es einfacher mit den immer stärker werdenden Schmerzen und der zunehmenden Erschöpfung umzugehen.
Qualen beim letzten Anstieg
Als wir nach knapp 10 Stunden und einer kleinen Extrarunde (ein Bauer hat die Streckenmarkierung entfernt :-() die letzte Verpflegungsstelle in Schwendi erreichten, waren Dippi und ich uns bewusst, dass wir den härtesten Teil noch vor uns hatten: einen 1300-Höhenmeter-Anstieg mit durchschnittlich 20% Steigung bei einbrechender Dunkelheit. Als nur noch 500 Höhenmeter fehlten, hatte ich mit dem ersten richtigen Tief zu kämpfen. Plötzlich ging nichts mehr und ich begann am ganzen Körper zu zittern, obwohl mir überhaupt nicht kalt war. Nachdem ich nochmal ein Gel hinuntergewürgt habe und alle Willenskraft mobilisiert habe, ging es erstaunlicherweise wieder besser. Da kurz nach mir wohl auch Dippi einen Durchhänger hatte, konnte ich wieder zu ihm aufschliessen und wir erreichten gemeinsam den höchsten Punkt unterhalb der Gamidaurspitze.
Bei Dunkelheit dem Ziel entgegen
Auf den letzten vier Kilometern hinab ins Ziel war nochmals höchste Konzentration gefordert: Mittlerweile war es richtig dunkel und nur der spärliche Lichtkegel unserer Stirnlampen hat den Pfad direkt vor uns erhellt. Zum Glück ging alles gut und wir konnten unter dem Zuruf der wenigen, aber dafür umso begeisterten Zuschauern dem Ziel entgegenlaufen. Nach kurzer Absprache entschieden wir uns gemeinsam ins Ziel einzulaufen. Wir waren uns einig, dass nach mehr als 10 gemeinsamen Stunden ein Zielsprint unpassend gewesen wäre. So durfte ich nach 12:00:52.7 h den Sieg mit dem sympathischen Matthias Dippacher teilen. Dritter wurde der Liechtensteiner Extremsportler Marcel Knaus (13:12:17.4 h). Bei den Damen siegte die Schweizerin Andreas Huser (14:31:45.4 h) vor der deutschen Ultratrail-Spezialisten Julia Böttger (15:24:07.4 h) und der Lokalmatadorin Denise Zimmermann (15:53:08.6 h).
Übrigens: Von den gestarteten 112 Läufern erreichten gerade einmal 43 das Ziel.
An dieser Stelle nochmals vielen Dank an die Organisatoren, Helfer und natürlich den Koch des Berghotels Furt für die leckere Zielverpflegung!
Jürgen auf der Marathon-Distanz
Weniger Erfolg hatte mein Vater Jürgen, der bei der Marathondistanz an den Start ging. Auch diese Strecke verlangte den Sportlern alles ab: Auf ebenso technischen anspruchsvollen 38 Kilometern mussten 3000 (!) Höhenmeter absolviert werden. Angesichts des berufsbedingt alles andere als perfekten Trainingszustand lief es bei Jürgen eigentlich ganz gut. Doch nach rund 28 Kilometern verpasste sein Vordermann eine Abzweigung und wegen dem bekannten Tunnelblick lief Jürgen nichts ahnend hinterher. Da die Markierung der Strecke generell minimalistisch war, bemerkten sie ihr Missgeschick erst, nachdem sie 700 steile Höhenmeter weiter oben waren :-(. Aufzugeben kam für Jürgen natürlich nicht in Frage und so kämpfte er sich trotz Erschöpfung und Krämpfen ins Ziel. Letztendlich wurden es für ihn 45 Kilometer mit mehr als 3700 Höhenmeter.
Gute Erholung und das nächste Mal kennst du den Weg ;-).
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Weitere Bilder finden sich auf der Homepage von Robert Kampczyk
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